Meiner Beobachtung nach herrscht landläufig die Ansicht, ein gutes Werkzeug zeichne sich durch intuitive Benutzbarkeit aus.
Ist das wirklich so, oder ist das nicht der Bewältigung von Aufgaben eher abträglich?
Über Werkzeuge und Intuitivität
Werkzeuge
Die Bedienung fast aller effizienter Werkzeuge ist nicht ganz trivial. Mit Werkzeugen meine ich dabei Hilfsmittel zur Bewältigung alltäglicher Aufgaben – privat wie im Arbeitsleben.
Ein recht komplexes Beispiel ist das Auto. Um es fahren zu können investiert man in der Regel eine große Menge an Geld, Zeit und Nerven – in der Fahrschule und bei der Fahrprüfung!
Ein einfacheres Beispiel ist das Fahrrad – fast niemand, der noch nie Rad gefahren ist, wird in der Lage sein, sich auf ein solches zu setzen und problemlos losradeln zu können; es bedarf einer gewissen Übungszeit und einer fein abgestimmten Auswahl an Hilfestellungen.
Ein noch simpleres Beispiel? Der Hammer. Das gleiche Spiel – die/der ungeübte wird sowohl Eleganz als auch Wirksamkeit beim anfänglichen Tätigwerden vermissen lassen.
Intuitivität!?
Was ist eigentlich damit gemeint, ein Werkzeug soll intuitiv bedienbar sein?
Nehmen wir wieder den Hammer. Intuitiv ist der Impuls, einen festen, mit der Gravität in angemessener Weise wechselwirkenden Gegenstand aus der näheren Umgebung zu greifen und damit auf das zu entzweiende bzw. das in das gewünschte Substrat zu treibende Objekt einzudreschen.
Diese intuitive Methode wurde im Laufe der Zeit immer weiter verfeinert. Der zum Eindreschen und Treiben verwendete Gegenstand wurde mühevoll in eine spezifischere Form gebracht (Faustkeil), irgendwann mit einem hebelwirksamen Heft versehen (Keil mit Stiel) und schlussendlich durch einen mittels der Schmiedekunst gefertigten, Impulsstoß-optimierten Kopf versehen – der Hammer war geboren.
Sowohl die Entwicklung – die viele Jahrhunderte benötigte (übrigens ein deutliches Kennzeichen der Abwesenheit von Intuitivität!) – als dann auch die Bedienung des Hammers sind beide nicht-intuitiv; man muss lernen, wo man den Hammer greift, wie der richtige Schwung auszuführen ist und schließlich noch das Problem der anfänglichen Zielunsicherheit – oft unter Schmerzen und körperlicher Versehrtheit – lösen.
Und der Hammer ist noch ein verhältnismäßig simples Werkzeug. Man übertrage das mal auf das Fahrrad oder das Auto. Je komplexer also das Werkzeug ist, um so aufwändiger – un-intuitiver – ist seine Erlernung, desto größer ist seine Wirkung. (Denke mal an den Presslufthammer ;)
Der falsche Ansatz
Ich meine, man sollte sich die Frage stellen, ob man ein Werkzeug möchte, welches einem die Aufgabe löst, oder, ob man ein Werkzeug möchte, mit dessen Hilfe man selber die Aufgabe lösen kann.
Im ersten Falle halte ich die Aufgabe nicht für gelöst, sondern für ab- oder weitergegeben (oder, wie man heute sagt: outgesourcet); ich gestehe damit ein, dass ich selber nicht bereit, willens oder in der Lage war, der Herausforderung nachzukommen.
Im zweiten Falle habe ich – als über Intelligenz verfügendes Individuum unter, Zuhilfenahme eines Werkzeugs – die Aufgabe selber bewältigt; ich habe mich mit dem Problem auseinandergesetzt, es analysiert, aus dem mir zur Verfügung stehenden Fundus an Werkzeugen das angemessenste ausgewählt und es dann erfolgreich eingesetzt.
Dieses Vorgehen versetzt mich in die Lage, kreativ, nachhaltig und unabhängig an die Aufgabenlösung heranzugehen; auch wenn mir das als optimal ermittelte Werkzeug momentan nicht zur Verfügung steht, bin ich in der Lage, zu improvisieren, möglicherweise andere, nicht-optimale Werkeuge einzusetzen oder aus vorhandenen Mitteln ein Behelfswerkzeug zu fertigen.
Die Moderne
Heute nutzen wir Computer. Ein gleichermaßen mächtiges wie komplexes Werkzeug.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass seltsamerweise bei der Verwendung von Computern – bzw. der darauf installierten Software – nur in seltenen Fällen die Bereitschaft vorhanden ist, deren Benutzung erlernen zu wollen. Sie werden eingeschaltet und man waltet drauf los, in der Erwartung, dass sich alles mehr oder weniger von selber ergibt …
Auch in der Software-Entwicklung ist – genauso seltsamerweise – oft die Rede davon, das Produkt solle intuitiv bedienbar sein.
Nein, sollte es nicht!
Meiner Meinung nach sollte die Benutzung jedweden Werkzeuges erlernt werden müssen um damit effektiv, kreativ und unabhängig die sich stellenden Aufgaben nachhaltig lösen können.